Kreativität

Die Fähigkeit zu und das Bedürfnis nach schöpferischer Tätigkeit gehören zum Wesen des Menschen. Dies bezeugen schon die prähistorischen Felszeichnungen aus der Frühzeit der Menschheitsgeschichte. Aber auch jedes Kind zeigt dieses Bedürfnis. Wenn Kinder nicht daran gehindert werden, beginnen sie zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr mit Materialien gestaltend tätig zu werden. Im Spiel, in gezeichneten Spuren, in Installationen und szenischen Darstellungen bringen sie ihre Gefühle und Phantasien in der sichtbaren Welt zum Ausdruck.

Zeugnis von einem ursprünglichen Bedürfnis nach Kreativität geben auch zahlreiche Bildwerke von Menschen mit seelisch-geistiger Behinderung. In ihrer Bedeutung eines unverstellten seelischen Ausdrucks wurden sie erstmalig von dem deutschen Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn in seiner Sammlung „Bildnereien der Geisteskranken“ (1922) gewürdigt.

Das Bedürfnis nach Kreativität entspricht dem seelisch-geistigen Wesen des Menschen.  Durch schöpferisches Handeln wird eine Beziehung hergestellt zwischen der seelisch-geistigen Innenwelt und der äußeren Welt der Dinge. Indem das Innere im gezeichneten Bild sichtbar gemacht wird, wird es sinnlich begreifbar, der Klient kann mit ihm umgehen und es verändern. Gestaltend findet eine Begegnung zwischen Innenwelt und Außenwelt statt.

Gibt es ein Kreativitätsmangelsyndrom? Jüngere Forschungen aus der Neuropsychologie bestätigen die Annahme, dass das kreative Sich-Ausdrücken eine lebenswichtige Funktion für Menschen darstellt. So gesehen kann Kreativität auch als eine psychomentale Funktion verstanden werden, die regulierend die Balance zwischen Seele, Körper und Geist, zwischen Innen- und Außenwelt herstellt. Kreative Impulse zu ignorieren ist möglicherweise für die Gesundheit ebenso schädlich, wie wenn das Bedürfnis des Körpers nach gesunder Nahrung missachtet wird.

Forschungen zur Kreativität haben gezeigt, dass Persönlichkeitsfaktoren von kreativen Menschen in hohem Maße mit den Persönlichkeitsfaktoren von resilienten (= psychisch gesunden) Menschen überein stimmen. Insofern ist es naheliegend, psychische Gesundheit durch Kreativität zu fördern.


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